Übersicht

Nachrichten

Natürliche Selektion oder alles Zufall? Internationales Forschungsteam will klären, ob Darwin oder Kimura Recht hat – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von LOEWE-TBG sind beteiligt

Beruhen die geringfügigen Unterschiede im Fellmuster von Giraffen, hier Massai-Giraffen in Kenia, auf Anpassung an die regionale Umgebung, oder bieten die Details der Größe und Form der Fellflecken keine Überlebensvorteile?
© Peter Prokosch
Beruhen die geringfügigen Unterschiede im Fellmuster von Giraffen, hier Massai-Giraffen in Kenia, auf Anpassung an die regionale Umgebung, oder bieten die Details der Größe und Form der Fellflecken keine Überlebensvorteile?

Charles Darwin (1809-1882) gilt bis heute als einer der bedeutendsten Wissenschaftler weltweit. Seine Theorie der natürlichen Selektion steht bis heute in jedem Biologielehrbuch. Sein Werk „On the Origin of Species“ (1859) bildet mit einer streng wissenschaftlichen Erklärung der Vielfalt des Lebens die Grundlage der modernen Evolutionsbiologie. Darin kam Darwin zu dem Schluss, dass sich die Arten durch natürliche Auslese entwickeln: Gut angepasste Organismen überleben, andere nicht.

Ende der 60er Jahre veröffentlichte der Genetiker Motoo Kimura (1924-1995) wissenschaftliche Theorien dazu, dass genetische Veränderungen neutral seien und Arten somit durch zufällige Fluktuationen neutraler Mutationen entstünden und dem Individuum keine direkten Vor- oder Nachteile böte. Doch welche der beiden Theorien stimmt? Oder lassen sie sich vielleicht sogar miteinander vereinen?

Das wollen nun Forscherinnen und Forscher des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG), der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und den beiden britischen Universitäten Durham und East Angelia herausfinden. In dem in der Fachzeitschrift „Biological Reviews“ veröffentlichten Beitrag werden mehrere Aspekte der Neutralen Theorie aufgelistet, die auf unterschiedliche Weise interpretiert werden können. Diese Unklarheiten haben nach Ansicht der Autoren die jahrzehntelange Debatte zwischen ihren Befürwortern („Neutralisten“) und Gegnern („Selektionisten“) getrübt. „Mit unserer Literaturübersicht wollen wir zu einer konstruktiveren Debatte zwischen den Befürwortern und Gegnern der Neutralen Theorie beitragen“, sagt Mitautor Axel Janke, Professor für Vergleichende Genomik bei Senckenberg und LOEWE-TBG. „Als die ‚Neutrale Theorie der molekularen Evolution‘ in den späten 1960er Jahren begründet wurde, gab es nur eine Handvoll Daten zu Proteinen. Inzwischen sind wir in der Ära der Genomik angekommen, die uns völlig neue Einblicke in die Evolution ermöglicht. Zahlreiche Genomsequenzierungsinitiativen weltweit tragen dazu bei, die Geheimnisse der Evolution zu entschlüsseln und ein besseres Verständnis der Artbildung und der zugrundeliegenden Prozesse zu erlangen.“