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ProLOEWE Persönlich

Professorin Dr. Christiane Salge Vermittlerin zwischen Vergangenheit und Zukunft

Christiane Salge ist Professorin für Architektur- und Kunstgeschichte am Fachbereich Architektur der Technischen Universität Darmstadt und stellvertretende Sprecherin des LOEWE-Schwerpunkts Architekturen des Ordnens.
© Britta Hüning

Frau Prof. Salge, Sie sind stellvertretende Sprecherin des seit 2020 geförderten LOEWE-Schwerpunkts Architekturen des Ordnens – Was kann man sich unter dem Titel vorstellen?

Architektur prägt uns alle sehr stark, sie ordnet die Gesellschaft, unser privates wie das öffentliche Leben. In dem Schwerpunkt untersuchen wir aus verschiedenen disziplinären Blickwinkeln, wie sich Architektur auf gesellschaftliche, kulturelle aber auch wissenschaftlich-technische Ordnungspraktiken auswirkt, aber auch wie die architektonischen Praktiken durch Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft beeinflusst werden. In meinem Teilprojekt analysieren wir Wissensordnungen in architektonischen Lehrmedien und Lehrkonzepten, um zu untersuchen, wie sich die Konstituierung von Wissen über die Jahrhunderte auf den Entwurfsprozess von Architekt:innen und damit auf die gebaute Umwelt und die Ordnungsvorstellungen der jeweiligen Gesellschaft ausgewirkt hat.

Möchten Sie uns etwas mehr erzählen zu Ihrem persönlichen Werdegang und warum gerade auch die Forschung in Geisteswissenschaften essenziell wichtig ist für die Gesellschaft?

Meine Aufgabe als Geisteswissenschaftlerin mit Schwerpunkt in der Frühen Neuzeit sehe ich darin, die Geschichte anhand der Quellen zu rekonstruieren, theoretisch zu reflektieren, an die Gesellschaft zu vermitteln und zugleich aus dieser Perspektive einen kritischen Blick auf die Gegenwart zu werfen. Als Architekturhistorikerin habe ich bis 2016 nur an geisteswissenschaftlichen Institutionen gearbeitet. Seit 2017 bin ich Kunstgeschichtsprofessorin am Fachbereich Architektur der TU Darmstadt, bilde also zukünftige Architekt:innen aus. Den Studierenden hier eine Sensibilität für die vergangene Baukunst, zugleich aber auch ein kritisches Bewusstsein für die Aufgaben der Gegenwart zu vermitteln, damit sie mit den aktuellen wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten sowie ihrer Kreativität respektvoll an Altes anknüpfen, ist eine schöne Aufgabe.

Welches Projekt innerhalb ihres Forschungsgebiets beschäftigt Sie im Moment am intensivsten?

Aktuell beginnt gerade ein Projekt, in dem ich mich mit der Digitalisierung und Erschließung eines Teils unserer alten kunsthistorischen Glasdiasammlung beschäftige. Neben Reproduktionen sind darin unikale Bestände enthalten, wie zum Beispiel Aufnahmen aus den Kunstschutzaktionen der Nationalsozialisten in den 1930er und 1940er Jahre in Frankreich und Italien oder Bilder aus den 1910er/1920er Jahre von heute kriegszerstörten Bauwerken. Daneben interessiert mich die Sammlung als Lehrmedium und das verbindet das Projekt mit dem LOEWE-Schwerpunkt „Architekturen des Ordnens“, denn in dieser Diasammlung ist der Wissenskanon der Architekturlehre an einer Technischen Hochschule der 1960er und 1970er Jahre visualisiert und systematisch geordnet überliefert.

Die LOEWE-Forschungsförderung in Hessen ist etwas bundesweit Einmaliges, um das man uns in anderen Teilen Deutschlands (und sogar darüber hinaus) beneidet, was denken Sie macht das LOEWE-Programm so bereichernd für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler?

Abgesehen von der wunderbaren Möglichkeit mein eigenes Teilprojekt mit zwei motivierten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen innerhalb von vier Jahren durchzuführen, habe ich vor allem von dem interdisziplinären Netzwerk profitiert, welches wir im Schwerpunkt aufgebaut haben. Gerade für mich, als relativ neue Professorin an der TU Darmstadt, war das LOEWE-Programm eine tolle Gelegenheit, Kontakte zu Kolleg:innen an meiner eigenen Universität aber auch an anderen Forschungseinrichtungen Hessens zu knüpfen und mich mit Wissenschaftler:innen verschiedenster Disziplinen auszutauschen.

Ein immer wieder leidenschaftlich geführter Diskurs ist die Frage zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf, daher möchten wir Sie als Professorin und Dekanin gerne dazu befragen, wie Sie diese in Deutschland aktuell einschätzen (und gerne auch wie es Ihnen gelungen ist beides zu vereinbaren)?

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist schwierig, selbst bei besten Betreuungsverhältnissen muss meistens jemand zurückstecken und das sind immer noch überwiegend die Frauen. Der Vorteil gegenüber vielen anderen Berufen ist, dass man sich als Wissenschaftler:in die Zeit freier einteilen kann. Allerdings ist es auch die Lebensphase, in der „junge“ Wissenschaftler:innen häufig in Zeitverträgen mit unbestimmter Zukunft angestellt sind. Da können der Druck, die wissenschaftliche Karriere und die Familienplanung miteinander zu verbinden, und der Wunsch, den jeweiligen Ansprüchen gerecht zu werden, sehr anstrengend und belastend sein. Ich selbst habe zwei Kinder in meinen ersten Jahren als Juniorprofessorin (ohne Tenure-Track) an der Freien Universität Berlin bekommen, das war nicht einfach und ohne die Unterstützung durch meinen Partner und meine Mutter würde ich heute vermutlich nicht mit Ihnen das Interview als Professorin führen.

Zur Person

  • stellvertretende Sprecherin des LOEWE-Schwerpunkts Architekturen des Ordnens
  • Professorin der Architektur- und Kunstgeschichte am Fachbereich Architektur der Technischen Universität Darmstadt
  • Dekanin des Fachbereichs Architektur der Technischen Universität Darmstadt

Erschienen in ProLOEWE NEWS

Ausgabe 01.2023 / April

Themen

In der Frühjahrsausgabe der ProLOEWE NEWS stellen wir Ihnen die beiden neuen, seit Januar 2023 geförderten LOEWE-Schwerpunkte Tree-M und CoroPan vor. Zudem erfahren Sie mehr über aktuelle Forschungsergebnisse des LOEWE-Zentrums TBG zu den außergewöhnlichen Flugkünsten des Kolibris. Nicht zuletzt zwei Veranstaltungen und ein Policy Paper von LOEWE-emergenCITY zum Katastrophenmanagement.

ProLOEWE persönlich

ProLOEWE persönlich Prof. Dr. Christiane Salge, Dekanin am Fachbereich Architektur an der TU Darmstadt und stellvertretende Sprecherin des LOEWE-Schwerpunkts Architekturen des Ordnens

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