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ProLOEWE Persönlich

Professorin Dr. Sandra Ciesek Als Coronaexpertin ausgezeichnet

© Katrin Binner

Frau Prof. Ciesek, Sie sind neben Ihrem Beruf als Virologin auch Co-Sprecherin des seit Januar des letzten Jahres geförderten LOEWE-Schwerpunkts CoroPan, was möchten Sie mit dem Projekt erreichen?

Wir arbeiten im Rahmen von CoroPan an verschiedenen Coronaviren, also nicht nur an SARS-CoV-2. Aus virologischer Sicht sind Coronaviren eine Virusfamilie, die auch zukünftig ein hohes Potenzial hat, weitere Pandemien auszulösen. Nach SARS 2002/2003 und MERS war COVID-19 ja bereits die dritte Pandemie, die durch ein Coronavirus ausgelöst wurde – wenn auch in einer anderen Dimension. Ein Ziel von CoroPan ist es daher, die Familie der Coronaviren besser zu verstehen und zum Beispiel gezielte Gemeinsamkeiten dieser Viren zu erforschen, um therapeutische Ansatzpunkte zu finden, die möglichst gegen viele oder im besten Fall sogar alle Coronaviren wirksam sind. Denn im Tierreich warten hunderte weitere Coronaviren, die auf uns Menschen überspringen könnten. Mit dem Projekt möchten wir also einen Beitrag leisten, diese Virusfamilie besser zu verstehen und gezielt auf mögliche weitere Pandemien ausgelöst durch Coronaviren vorbereiten.  

Wann wussten Sie, dass Sie Virologin werden wollten und warum?

Das war mir lange gar nicht bewusst. Nach dem Abitur habe ich zunächst klassisch Humanmedizin studiert und dann in Hannover eine Facharztausbildung zur Gastroenterologin absolviert, also in einem Fach der unmittelbaren Patientenversorgung. Ich habe seit meiner Doktorarbeit parallel immer an Hepatitisviren im Labor geforscht und 2016 ergab sich die Gelegenheit, auf eine W2-Professur in die Virologie zu wechseln. Die Vorteile lagen klar auf der Hand: mehr Forschungsfreiraum und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf- zumindest bis die Pandemie kam. Als Kliniker ist es oft nicht leicht, Grundlagenforschung auf international kompetitiven Niveau neben der Klinik und am besten nach Feierabend und an den Wochenenden zu betreiben.  

Mit der Coronapandemie wurden Sie zu einer der führenden Expertinnen für SARS-Cov-2 und für „ihr bahnbrechendes wissenschaftliches Engagement im Rahmen der Corona-Pandemie“ mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet. Wie war das für Sie?

Erstmal ist das eine sehr große Ehre, dass die persönlichen und wissenschaftlichen Leistungen in dieser Form Anerkennung finden. Auch, dass offensichtlich so viele Menschen sich dafür eingesetzt hatten, dass ich diese Auszeichnung bekomme, ist großartig. Es zeigt, dass man zwar privat und beruflich viel investiert hat, diese Aktivitäten aber von der Öffentlichkeit wertgeschätzt werden. Auf der anderen Seite denkt man aber sofort auch daran, welche negativen Auswirkungen die Ehrung haben könnte. Neben Beglückwünschungen bekommen meine Kolleg:innen und ich nämlich auch immer noch Anfeindungen auf solche Bekanntmachungen. Es ist schade, dass dies die Freude trübt.  

Gibt es etwas, dass Sie heute, im Rückblick auf die Coronapandemie oder im Hinblick auf in der Zukunft auftretenden Pandemien anders machen würden?

Erstmal war diese Pandemie mit einem bis dahin unbekannten Erreger für die Virologie eine große Herausforderung und es ist sehr positiv zu erwähnen, dass gerade am Anfang der Erkenntnisgewinn über diesen Erreger enorm war. Deutschland hat bei der Test- und Impfstoffentwicklung entscheidende Beiträge leisten können. Natürlich gab es auch Dinge, die wir besser hätten machen können, aber das muss man im Nachhinein immer genau unter Berücksichtigung des zu der jeweiligen Zeit bestehenden Wissensstand betrachten. Auf mein Fach die Virologie bezogen hätte man mehr in die Grundlagenforschung pandemischer Erreger nach der SARS-Pandemie 2002/2003 investieren müssen und in die Entwicklung antiviraler Substanzen. Wir Virologen können ganz gut einschätzen, welche Viren pandemisches Potenzial haben. Und wir wissen, dass es zukünftig weitere Pandemien geben wird. Aber insgesamt ist mein Eindruck, dass Deutschland nicht so führend in der Prävention von Krankheiten ist. Das kostet eben auch sehr viel Geld, ohne dass man genau weiß, wann und ob man zum Beispiel so eine antivirale Substanz oder auch bestimmte Daten zu einem Erreger und dessen Ausbreitung einmal benötigen wird. Die LOEWE-Förderung für CoroPan ist hier ein positives Signal.  

Was denken Sie, was die LOEWE-Forschungsförderung so besonders und damit vielleicht auch unersetzlich macht?

Ich finde, die LOEWE Forschungsförderung macht Hessen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besonders attraktiv. Zum einen gibt es die LOEWE-Spitzen-Professuren, sodass die Goethe-Universität z. B. kürzlich Prof. Mathias Munschauer, einen äußerst talentierten Wissenschaftler und ERC-Grant- Träger aus Würzburg, an mein Institut auf eine W2-Professur berufen. Ich bin sicher, dass das ohne die Unterstützung der LOEWE-Forschungsförderung nicht gelungen wäre. Zum anderen helfen die LOEWE-Zentren und -Schwerpunkte wie CoroPan, dass sich die hessischen Hochschulen besser vernetzen können und somit bessere Chancen haben, gemeinsam Verbundforschungsprojekte bei der DFG zu beantragen. Die mehrjährige Förderung im Rahmen eines LOEWE-Schwerpunkts bereitet uns Wissenschaftler auf solche Verbundforschungsanträge optimal vor, weil wir nicht nur gemeinsame Vorarbeiten generieren, sondern auch kollegial zusammenwachsen können.  

Virologin, Coronaexpertin, LOEWE-Professorin – jetzt Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz – mit Verlaub, wie schaffen Sie das alles?

Auch mein Tag hat nur 24 Stunden und ich habe eher das Gefühl, dass ich vieles nicht schaffe, was ich eigentlich alles erledigen müsste. Gerade in der Pandemie ist auch vieles liegengeblieben. Ich habe aber ein tolles Team, was mich unterstützt. Und als Ausgleich mache ich – wenn möglich – viel Sport – Schwimmen und Laufen.

Zur Person

  • Co-Sprecherin des LOEWE-Schwerpunkts CoroPan
  • Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main
  • Professorin für Medizinische Virologie an der Goethe-Universität Franfurt

Weitere Informationen

Erschienen in ProLOEWE NEWS

Ausgabe 01.2024 / März

Themen

In der ersten Ausgabe des Jahres erwartet Sie eine große Vielfalt an Themen aus der LOEWE-Spitzenforschung: Von Landwirtschaft und Artenschutz über Frauen in der Wissenschaft und menschliche Entscheidungen in der Künstlichen Intelligenz bis hin zu anstehende Veranstaltungen von LOEWE-FCI und SYNMIKRO und der Wahl zum Internationalen Weichtier des Jahres 2024, die von LOEWE-TBG organisiert und begleitet wird.

ProLOEWE persönlich

Prof. Dr. Sandra Ciesek, auch LOEWE-Spitzen-Professorin und Co-Sprecherin von LOEWE-CoroPan ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt und wurde für ihre Corona-Forschung im letzten Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet.

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